Alles, was er wollte by Anita Shreve

Alles, was er wollte by Anita Shreve

Autor:Anita Shreve [Shreve, Anita]
Die sprache: deu
Format: mobi
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


In dieser Nacht schlief ich äußerst schlecht, eigentlich fast gar nicht, und spürte an Etna, die neben mir lag, von Zeit zu Zeit eine gespannte Wachheit, die ich sonst nicht an ihr kannte. Ich schrieb ihre Schlaflosigkeit der Tatsache zu, daß sie auf der Abendgesellschaft bei Ferald kurz ungewollt Aufmerksamkeit erregt hatte. Sie hatte sich beim Gastgeber mit der Erklärung entschuldigt, ihr sei das beschlagene Champagnerglas unglücklicherweise ausgerechnet in dem Moment der Stille nach Feralds Einführung des Kollegen Asher aus den Fingern gerutscht und zu Boden gefallen. Mich selbst hielt das Bild von Phillip Asher wach, dessen patrizische Züge ich allzu klar vor mir sah.

So trieben Etna und ich auf den stürmischen Wogen der Schlaflosigkeit dahin – zwei kleine Boote, von denen das eine bald sichtbar, bald verloren war und das andere aus einem Wellental aufstieg, um im nächsten zu versinken –, bis wir morgens von unserem Mädchen Abigail geweckt wurden. Als hätte sie das Klopfen seit Stunden erwartet, sprang Etna so schnell aus dem Bett, daß ich nicht einmal ein kurzes Wort an sie richten konnte.

Wir trafen wie immer nach der Morgentoilette im Frühstückszimmer zusammen. Aber das gewohnte Aufatmen nach der Befreiung aus den nächtlichen Spannungen zwischen uns blieb an diesem Morgen aus. Wir begrüßten einander nicht wie gute Freunde (kein Kuß an diesem Morgen, soweit ich mich erinnere), sondern eher wie geistig erschöpfte oder zerstreute Kollegen, die jeder in stummem Dialog mit anderen Personen stehen. Über Etnas Gedanken kann ich natürlich nichts sagen (ich glaubte damals, sie sei damit beschäftigt, sich eine weitere Entschuldigung für Millicent Ferald zu überlegen), ich kann nur von meinen eigenen berichten, die von ängstlicher Besorgnis und taktischen Überlegungen geprägt waren.

Ich ging noch einmal alles durch, was am Vortag gesprochen worden war – sowohl im Korridor der Chandler Hall als auch auf Feralds Empfang –, und formulierte im nachhinein, wie das die meisten von uns gern tun, kluge oder geistreiche Antworten, die in ihrer Schlagfertigkeit der reine Hohn waren, da sie niemals wirklich ausgesprochen werden konnten. Wie sehr wünschte ich, die Zeit ließe sich zurückdrehen, und ich könnte als der selbstbewußte und großzügige Professor auftreten, der bei dem Gedanken an ernsthafte Konkurrenz nicht zitterte und zagte, sondern wie ein echter Sportsmann den Wettstreit willkommen hieß, ja, sogar unterstützte. Aber da ich nie ein Sportsmann gewesen bin und Feralds Bemerkungen mich völlig unvorbereitet getroffen hatten, wirbelte in meinem Kopf ein Strudel wirrer Gedanken, die ich in Etnas Gegenwart lieber nicht in Worte fassen wollte.

Mit dem Seelenfrieden war mir auch der Appetit abhanden gekommen, und ich stocherte wie ein Kind im schleimigen, eklig aussehenden Gelb meines Frühstückseis herum. Ich mußte Asher aufsuchen, sagte ich mir. Ich mußte mit ihm sprechen, um herauszufinden, wie bedrohlich der Mann tatsächlich war. Ich wußte, daß Eliphalet Stone nicht gern einen Kandidaten von außerhalb auf dem Posten des Collegevorstands sehen würde. Er war der Meinung, und das mit Recht, daß nur jemand, der aus den Reihen der am College tätigen Dozenten hervorgegangen war, die besonderen Bedürfnisse Thrupps erfassen könnte. Genauer gesagt, Stone war gegen jede Erweiterung.



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